Café Central.
Spielzimmer.
Früher Abend.

„Märwald, da bist ja endlich ... is' ja schon Viertel nach sechs!“, ist Liebl sichtlich ungehalten – „Jetzt fehlt nur mehr unser angehender Medizinalrat und dann könn' ma endlich beginnen!“

Märwald setzt sich an den Spieltisch, bestellt ein Karlsbadergulasch und einen Krug Bier.

„Tut mir Leid, aber ich hab' mich a bisserl in der Stadt verloren.“

Der beleibte Liebl und der dünne Sterner sehen sich an.
„Ach so? Liegt uns was am Seelerl?“
Märwald zuckt nur mit der Schulter, fühlt noch immer den Spitzenhandschuh an seiner linken Hand, als Triebich, der Vierte im Bunde, zum Tisch kommt. Er ist schlampig angekleidet, sieht sichtlich neben sich stehend aus. Gehetzter Blick.

„Ah, Herr Doktor in Spe geben uns endlich die Ehr' für ein Tarockspielchen?“
Triebich setzt sich, streicht seine in Pomade getauchten Haare wieder glatt.
„Ihr wisst doch, wie das ist, ... wenn einem die pure Leidenschaft überkommt, nicht?“
„Das Fräulein Fanny?“, fragt Märwald.
Geraune der anderen zwei.
„Ja wohl, Herr Leutnant! Gut geraten ... es hätt' ja auch eine andere sein können!“
„Und wer hat dir das Séparé bezahlt?“, kommt es von Sterner. Gelächter.
„Also, ihr seid's mir vielleicht Freunderln! Freilich hab' ich's selbst bezahlt. Ein halber Gulden die Stund' hat's mich gekostet! Ja, wenn ich 9 drauf gelegt hätt, wär' ich ins Sacher 'gangen!“  
„Für die wenigen Minuten ...“, ätzt Liebl.
„ ... tiefster, eindringlichster Empfindungen.“, ergänzt Triebich in gespielter Freude und fügt rasch hinzu – „Geh, könnt' ma heut net wieder schreiben? Ich bin a bisserl knapp bei Kassa.“
„Scho wieder? Vom letzten Mal [Liebl holt einen kleinen Zettel aus seiner Tasche, wirft einen Blick darauf, sieht auf, schüttelt den Kopf und zeigt ihn Märwald] ... schuldest mir noch ein Stückl, aber bitte sehr, wenn der Herr Obermedizinalrat unbedingt anschreiben wollen, von mir aus.“

Triebich zwinkert erfreut und ordert einen Zierfandler, Sterner ein weiteres Achterl Zweigelt, während die anderen zwei beim Bier bleiben. Ab und zu kaut Märwald an seinem Gulaschfleisch, gibt die Knorpeln und Flachsen an den Tellerrand, tunkt hie und da ein Stück von der knusprigen Semmel in den würzigen Saft.

„Bevor ich vergess',“, stößt Triebich Märwald in die Seite, „morgen zu Mittag möchten die Fanny und die Liesl mit mir soupieren. Zum Eibesbrunner. Hast net auch Lust? Die Liesl würd' sich freuen!“

Märwald verneint mit vollem Mund, schluckt hinunter, gibt ihm zu verstehen, dass er bereits einer Einladung folge, worauf die anderen zwei, Sterner und Liebl, wie im Chor rufen: „Was is mit uns, Triebich?“

Triebich rollt die Augen: „In Gotts Namen, wenn die zwei Junggesellen sonst nix vorhaben, dann seid's mir ... natürlich gern willkommen. Aber das Fräulein Liesl, die rührt's mir net an, verstanden? - Die hat sich nämlich in den Leutnant hier verschaut ... wär ja jammerschad', wenn sie sich wegen euch zwei Agraseln verruckt machen würd. Es sei denn, [zu Märwald], unser Herr Leutnant von und zu hat kein Interesse an diesem, zwar net gerade hübschen, aber gefälligen jungen Ding.“

Die großen, gierigen Augen von Liebl, die kleinen, freundlichen von Sterner heften sich an die Lippen von Märwald. Für wenige Sekunden könnte man am Tisch eine Stecknadel fallen lassen, so begierig wartet man auf die Antwort. [...]  [weiter]

 

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Auszug aus [Kapitel 10.45]  "Café Central - Die Tarock.Runde"