Märwald klopft am späten Abend ans Haustor der genannten Adresse. Der Zwei- spänner entfernt sich.

"Nau da schau her, ein Leitnant. Und fesch no dazu. Was sagst, Mizzi?"

Märwald dreht seinen Kopf in die Richtung der zwei Dirnen, die seitlich von ihm zum Stehen kommen und keine Anstalten machen, weiter zu gehen.

„Ja, wirkli wahr, ... wollen uns der Herr Leitnant vielleicht G'sellschaft leisten? Is' ja no gar net so spät, net?“

Märwald wendet seinen Blick ab. Klopft erneut. Kräftiger.

"Warum denn so schmähstad, die Leocadia und ich, wir sind doch so nette Madeln. Und offen wie ein Büchel. Vielleicht wollen der Herr Leitnant ... in uns a bisserl lesen?“

Das Klopfen vermischt sich mit dem Gekicher.

„Oder ... kann unser Herr Leitnant no gar net lesen?“

Hysterisches Lachen.

Märwald dreht seinen Kopf wieder in ihre Richtung.
Räuspert sich.
Sie verstummen.

„Ich ... ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen [beide nicken verstehend], aber ich hatte eine sehr, sehr anstrengende Woche. Nach weiblicher Begleitung ist mir heute leider, leider nicht und, versteht es bitte nicht falsch, aber [stoppt; zieht eine Augenbraue hoch] Verzupft's eich, aber g'schwind!“

Klopft.

Die zwei leichten Damen nehmen wieder ihren Weg auf – immer neben oder auf dem imaginären Strich, den die Polizei auf dem Trottoir gezogen hat. Ihr Keppeln ist unüberhörbar.

„Also, so'was ungehobeltes ... wird der glei grob zu uns, nur weil wir nimma so jung san. Der glaubt, dass er ... modern is' [lachen] In die Höll' soll er fahren, dieser, dieser ... Fallott, dieser Strizzi. - Mizzl, ich schau zur Augartenbrucken ... ich hab' g'nug von da! Mir reicht's ...“

Der Hausmeister, in einem zerschlissenen Schlafrock und mit einer flackernden Kerze in der Hand, öffnet missgelaunt das Haustor. Auch durch die wenigen Münzen, mehr als üblich, die ihm in die offene Hand gegeben werden, wird seine Laune nicht gebessert.

„Korsakow?“, wiederholt er angewidert auf die Frage, wo die Wohnung zu finden ist, sperrt das Haustor wieder zu – „Im zweiten Stock, Türnummer 13 [bekreuzigt sich], ... wenn's von der Treppe sich gleich links halten, dann kann man's net verfehlen. Habe die Ehre, Herr General.“

Er dreht sich grummelnd um und lässt Märwald unhöflich im dunklen Gang stehen. Der Keller riecht modrig herauf, überhaupt sieht das Wohnhaus nicht gerade gut in Schuss aus. Wie es einen begüterten Menschen hierher ziehen kann, ist ihm ein Rätsel. Er tastet sich vorsichtig zur Treppe, steigt sie hoch; Mezzanin, dann der Halbstock, dann der erste und wenig später endlich der zweite und letzte Stock. Märwald hält sich, wie ihm gesagt, links und sieht die Türe im matten Mondlicht, das durch die Gangfenster scheint, vor sich. [...] [weiter]

 

Minoritenplatz
Taborstraße 11
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Neustift

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auszug aus [Kapitel 8.30]  "Taborstraße 11 - Ein flüchtiger Kuss"