Gedanken

GedankenGedankenGedankenGedankenGedankenGedankenGedan
ankenGedankenGedankenGedankenGedankenGedankenGedankenk
enGedankenGedankenGedankenGedankenGedankenGedankenGen
ankenGedankenGedankenGedankenGedanken 

 

Mittwoch,20.April 2005 - 9h01
Donnerstag, 21.April 2005 - 13h46
© Richard K. Breuer

 

„Was machst du so? Beruflich, meine ich ...“
„Ich bin Schriftsteller.“
„Ach? Kann man davon leben?“
„Nein, davon kann man nicht leben, aber gut sterben!“

Für den heutigen gedanklichen Ausflug habe ich mir viel vorgenommen – ich hoffe, Sie haben genügend Zeit mitgebracht und wollen wissen, wie es in einer ver- worrenen Künstlerseele zugeht, die mehr über die wirtschaftliche Lage des Buchmarktes weiß, als ihr lieb ist. Aber so ist das eben.

Eine assoziative Bestandsaufnahme übers Schreiben und Verlegen.


Im deutschen Sprachraum sollen angeblich 8 Millionen Menschen schreiben. Wie viele davon hoffen, entdeckt zu werden, einen großen Wurf zu landen – sprich: man schreibt im Handumdrehen einen Bestseller und kann dann vom Schreiben überaus gut leben – geht aus der Statistik nicht hervor. Vermutlich sind es an die 8 Millionen. Und ich gehöre prinzipiell zu ihnen. Das ist die nüchterne Erkenntnis, die jeder angehende Autor im Normalfall verdrängt, obwohl es ihm minütlich vor Augen geführt wird: weltweit gibt es 120.000 Neuerscheinungen pro Jahr! Wer soll da noch den Überblick behalten? Und was heißt dann eigentlich: ich werde verlegt? Ein eigener Wirtschaftszweig entsteht, der sich um all jene kümmert, die nicht „ordentlich“ verlegt werden – weil der Wunsch nach einer Publikation so groß ist, dass  man dafür auch gerne mal tief in die Geldbörse greift. [*1]

„Bei welchem Verlag bist du?“

Um herauszufinden, ob jemand für die Publikation seines Buches bezahlt hat, bedarf es einiger spezieller Kniffe, denn der „sich selbst erfindende Schriftsteller“ wird mit der Wahrheit nicht gerne herausrücken – das wäre vergleichsweise so, als würden Sie stolz und angeberisch jemanden sagen, Sie hätten gestern tollen Sex gehabt – dass es mit einer Prostituierten war, möchten Sie (im Normalfall) nicht so gerne breit treten. Toller Sex, für den man bezahlen hat müssen, klingt für jene, die ihn nicht gehabt haben, selten toll. Ergo: wir halten den Mund und kehren diese unscheinbare Information unter den Teppich (ja, genau dort, wo schon der Haufen von „Beinlichkeiten“ liegt).

Der Mensch will erkannt werden. Er will wahrgenommen werden. Ein Künstler geht noch einen Schritt weiter – er will, dass sein Werk erkannt und wahrgenommen und geschätzt wird. Ein Unterfangen, das in den seltensten Fällen Aussicht auf Erfolgt hat. Es ist das ewige Dilemma des aufgeklärten Menschen, der begonnen hat, Verstand und Seele zu trennen und nicht als Einheit zu betrachten. Fortan versucht er nun, seinen Verstand einzusetzen, um sich über die Befindlichkeit seiner Seele klar zu werden. Ein unmögliches Unterfangen, weil faktische Quantitäten nichts über die seelische Qualität aussagen können. Der moderne Mensch glaubt es, weil er es sich glauben gemacht hat [*2]. Sie kennen (davon gehe ich jetzt aus) Leonard Bernstein, der vermutlich alles in seinem Leben erreicht hat, was sich jeder angehende Künstler erträumt. Die quantitativen Fakten sprechen für Bernstein und für sich. Er war zu seiner Zeit weltberühmt (und ist es heute noch), genoss ein hohes Ansehen in Musikerkreisen, verdiente Geld im Überfluss und trotzdem gab es da diesen Schatten in seiner Seele. Er wollte als ernsthafter Opernkomponist in die Geschichte eingehen, nicht als Dirigent oder Komponist der „West Side Story“. Und? Hätten Sie ihn mit einer ernsthaften Oper in Verbindung gebracht? Wer also meint, mit der Abdeckung der quantitativen Fakten (also Geld, Geld und Geld) komme die Qualität (Zufriedenheit, Selbstliebe, Akzeptanz, privates Glück und so weiter) von selbst, dem kann ich nur sagen, dass die Wirklichkeit, die Welt, in der wir leben, zu einer anderen Aussage gelangt. Lesen Sie (ernsthafte) Autobiografien von Ihnen bekannten Künstlern und Sie werden sehen, dass diesen Zweifel und Versagerängste im Nacken saßen, obwohl sie alles erreicht hatten. Mit den Worten Arthur Schnitzlers hieße das dann so: „Eigentlich müsst ich noch berühmter sein.“ – und lesen Sie gefälligst „Azadeh“, wo all die verschiedenen Künstlerseelen abgelichtet wurden.[*3]

Im Übrigen suche ich eine junge, unerfahrene und unbekannte Schauspielerin, die mit mir in Rom eine "Emozionale Kunst- installation" machen möchte. Für die Kostüme werde ich
selbstverständlich sorgen. (falls Sie die Pointe nicht ver-
stehen, tja, dann waren Sie heute nicht gerade aufmerksam ...)

[zurück]