© RICHARD K. BREUER

 

Buchwerkstatt 2004/2005 | Auszug aus dem Buch "Neun mal Kluges"

 

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Azadehs Schlafgemach
oder Lielienthals Desirée

Bitte sehr, nur keine falsche Bescheidenheit, natürlich ist es mir eine große Ehre, dass Sie mich und Fräulein Azadeh besuchen wollen. Ich habe schon alles vorbereitet, also treten Sie ruhig ein. Warten Sie, den Mantel nehme ich Ihnen gerne ab. Gehen Sie schon vor, in das Kaminzimmer. Ja, das ist geradeaus. Vor dem Kamin stehen zwei gemütliche Fauteuils, also machen Sie es sich einfach bequem. Ich komme gleich nach.

Gemütlich, nicht? Diese Fauteuils sind Erbstücke, viele, viele Jahre alt, damals, als man noch auf Qualität achtete. Das erinnert mich an Julien Green, ein Schriftsteller des 20. Jahrhundert, als ihn ein österreichischer Kollege 1931 besuchte und meinte, dass er nicht an die großdeutsche Gefahr glaube, wohl aber an das Ende der Welt, so wie es die beiden noch kannten. „Sie werden sehen“, meinte der Österreicher, „alles wird fabriksmäßig erzeugt werden. Es wird keine kleinen Buchbinder mehr geben, keine Porzellan- flicker.“ Wenn das wahr ist, schreibt Green in sein Tagebuch, dann möchte ich nicht mehr leben*. Ein Glück, dass er diese Zeiten nicht mehr erleben muss, nicht? Ja, diese Fauteuils sind wahre Schmuckstücke. Ich bin oft hier gesessen und habe mir die vielen Geschichten von Fräulein Azadeh angehört, die sie ausschmückte und verzierte und wenn man nicht aufpasste, dann nahm sie einen derart gefangen, dass man all seine Verpflichtungen vergaß. [...]

* Julien Green „Tagebücher 1928 – 1945“ Herold Verlag, 1952

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Die Geschichte will einen Blick in
das erste Werk des Autors werfen
und erzählt die kurze Episode über
den Dichter Otto Lielienthal und wie
er seine Muse Desirée fand.

Richard K. Breuer, geboren 1968 in Wien, lebt auch dort. Nach einer kauf- männisch orientierten Ausbildung, und Jobs im Wertpapierbereich von Banken und Softwarehäusern ist er seit 2003 frei- schaffender Schriftsteller und arbeitet gerade an seinem vierten Buch.

 

aus dem Vorwort - von Prof. Mazakarini: Da ist einmal Richard Breuer und sein Rendez- vous mit der so bezaubernden wie viel ge- fragten Frau „Azadeh“: ein ungemein dichter, sprachlich nuancierter Text, asssoziativ aus- gehend von einem Julien-Green-Wort; alles sehr bildhaft; vielleicht sogar im Ansatz ein Monolog für das Theater, ein Text, in dem die feine Ironie einen Teil des erforderlichen Unter- haltungswerts liefert: Die Welt der Wiener Literatur um 1900 blitzt da und dort auf.

Dem Mann ist ein Weg zu wünschen, der ihn zum (epischen, dramatischen?) Erzähler reifen lässt. Blättern wir doch wieder bei ihm vorbei.