© PHILIPP TOLLOI

 

Buchwerkstatt 2004/2005 | Auszug aus dem Buch "Neun mal Kluges"

 

8 autoren |  1 buch

 


Von Brezalauspurc bis Bratislava

Der Text hält sich an jene phonetischen, lexikalischen, grammatikalischen und stilistischen Eigenarten, wie sie dem Durchschnittssüdtiroler zu eigen sind. Da ich selbst Südtiroler bin, mich außerhalb meiner Heimat aber davor hüten muss, dieser südbairischen Mundart zu bedienen, damit der hörende Kommunikations- teilnehmer dem ihn übermittelten Code auch versteht, kann ich mich nun hier genüsslichst in heimischen Sprachgefilden austoben. Ich habe mir also selbst „auf’s Maul g’schaut“ - zwecks Authentizität, da das von mir gewählte literarische Genre eine solche unbedingt erfordert, um seinen Reiz nicht zu verlieren. Hinsichtlich der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes des Textes wird dem Leser freie Hand gewährt, um  seine Phantasie nicht zu beschneiden.

"Souvenirkamera..., ôder wië hoaßt des Zuig glai nouamål? I glâb wóll a sou. Na, isch des décht an ålt's Glump... Jå, va d'r Tant’ Hanne hån i’s sèmm gekriëg. Aig'ntlich hån i m’r’s mitg’nummen, båld si g'storbm isch. De håt sou vîl kitschig’s Zuig g’håpp. Dôzemål håt m’r’s hålt g’fålln, des Glump. Wië i a Fraide g'håb hån dåmit. Friaher håt man jå sélle Kameras ba jëidn Souvenirstandl g’sêchn. Haint kriag man de ninderscht meahr zi kâf'n... I hån si hålt amål niëmeahr g’sêchn. Isch jå lôgisch, wenn jëider an Fotoapparat håt. - Iatz muaß i mi amål int'ressiërn, wiavîl sou a Digitalkamera koschtet... - Wië funktioniert des glai?... Ajå, sou... Af den kloanen Knopf druckn. Tåtsächlich es funktioniert nou... Wou isch'n des?... A, in Bratislava... Steaht jå då. Taifl, wår i enttaischt va dêr Stådt. Guat, is Wètter wår miserâbl und d'r Martin håt jå a g’sôg, dass i m’r net zi vîl erwårtn soll. Ôber den g'fållt jå nia éppas, den Plèrrer. Dêr isch in létschter Zait brutâl nèffe. Unausstehlich isch er g'wordn... - Di Katharina håt’s a g’såg. Sèll håt mi schun g’wundert, si als Slowakin! Jå guat, si isch ungarischer Muëterspråche, åber si kimmp mir net so national g’sinnt vour. Sain wôhrschainlich sait d'r Dèzemberverfåssung zîmlich assimiliert wordn. I wår hålt g’spånnt... Hån’s ålm außng'schoubm di létschtn Jåhr. – Na, di Kommunischtn hôbm schun furchtbår g’haust dô èntn. Stimmp jå! Sèll muaß man wirklich sou sôgn.A°lles hôbm si oakemmen g'låssn, di schiane åltstådt und am Stådtrånd hôbm si di schiachn Satellitenstétt gebaut. Jå, wië man si in di Filme oft sigg. Van sémm hån i als Kind ålm an furchtbårn Grausn g'håpp, wenn i de Kinderfilme va dô èntn ung’schaug hån und man noa de Hittn g’sêchn håt. Di gånzen Familien ainigepfercht in sélle Betonklétz, nëibm di Fabrikn. Des wâr a Lébmsstandard, Hèrrgott. - Di ålte Synagoge hôbm si nîderg'rissen, um d'r nui'n Stråß Plåtz zi måchn, dê totalitären Urbanischtn. I hétt mir gedenkt, d’r Tiso und saine Kollegn sain des g'wêsn... åls Dånk d’rfîr, dass ihmene di Daitschn nôch îber tausend Jåhr wîder ze d'r Selbschtständigkait v'rholfen hôbm. Nix dô... Wou hån i des glai nouåmål g'lêsn ... Wårt åmål ... Moansch des fållat mir iatz nou ain?!"

[...]

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„Von Brezalauspurc bis Bratislava“ ist
die Erinnerung an eine Odyssee durch das
historische und aktuelle Pressburg. Gedanken-
ströme und Vorstellungen erzählen eine vielseitige Geschichte. Das Resultat ist eine Hommage an
James Joyce.

Philipp Tolloi, geboren 1980 in Sterzing (Südtirol). Studium der Geschichte und Germanistik. Schreibt an seiner Diplom- arbeit. Sein besonderes Interesse gilt der Ideengeschichte völkischer Mythen und
des Nationalsozialismus. Erfahrungen im Printmedienbereich..

 

aus dem Vorwort - von Prof. Leo Mazakarini:
Philipp Tolloi ist Südtiroler, er veröffentlicht in diesem Buch einen Text, den er in seiner heimischen Mundart niedergeschrieben, sich „selber also aufs Maul geschaut“ hat. Es ist für den ungeübten Leser gar nicht so leicht, sich hier rasch einzulesen, aber diese Mühe lohnt allemal. Ein köstlich-entlarvender Monolog, der gleichsam „vom Himmel durch die Welt zur Hölle“ alles enthält, was in dieser kleinen Welt kommentierbar ist: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Menschen und ihre Situationen: das Vorurteil ist hier ebenso eine Norm wie kolpor- tiertes Halbwissen, das Ganze ist ein literarischer Leckerbissen, den ich mir, serviert von einem glänzenden Schauspieler Südtiroler Mundart, auf der Bühne zu sehen wünschte. Oder interpretiert vom selbst in seiner Bösartigkeit seligen Helmut Qualtinger. Der Historiker Tolloi entlarvt mittels künstlerischer Mittel (erfahrener oder erdachter) Oral History die Psychologie der „historischen Wahrheit“ mit. Das ist legitim und spannend.

Erster und letzter Name für das heutige Bratislava, dazwischen hat die Stadt ihren Namen oft geändert.

Ding    nochmals   doch
wertloses Zeug   damals oder dort
damals    solche   nirgendwo
im Sinne von informieren    etwas
nervig   kommt
hinausgeschoben   drüben