Ein Leben in Bildern: Kindheit 1968 – 1981

Richard Karl Breuer präsentiert seinen Werdegang

1968. Im Wonnemonat Mai kam ich zur Welt. Ein 1968er wenn man so will. Vielleicht liegt mir deshalb das stille Aufbegehren im Blut? Als Zwilling im Sternzeichen sehnte ich mich nach Freiheit und sträubte mich mit Händen und Füßen, den Kindergarten besuchen zu müssen. Ich setzte meinen Kopf durch und blieb zu Hause, wo ich fröhlichen Unsinn trieb und – warum weiß ich nicht – meine Spielsachen zerstörungswütig behandelte. Meine Mutter gab sich Mühe, mich zu einem anständigen Jungen zu erziehen. Sie selbst kam „vom Land“ und wuchs in ärmlichsten Verhältnissen auf. Während des Krieges durfte sie nur die Volksschule besuchen. Dieses Ungebildetsein bekümmerte sie dermaßen, dass sie mich und meine Schwester oft und oft ermahnte, ja brav zu lernen.

1968-1976. Die Kindheit verbrachte ich bis Sommer 1976 im 12. Bezirk in Meidling. Asphalt wohin man schaute. Aber wenig Verkehr. Heutzutage unvorstellbar, sein Kind mit dem Fahrrad alleine in den Gassen herumsausen zu lassen. Natürlich ruinierte ich alsbald das Rad, fuhr ich über Stock und Stein. Das Fahrradfahren lernte ich an den Mauern der Maria-Theresien-Kaserne. Viele Jahrzehnte später musste ich dort einen Drogentest machen, konnte aber partout lange Zeit nicht Wasser lassen. Die Nervosität war’s. Natürlich. Mit dem Franzi trieb ich damals wilde Streiche. Er war sicherlich ein schlechter Umgang für mich. Seine ältere Schwester, die Gerti mit ihren zwei Zöpfen, sie sollte mir freilich noch lange in Erinnerung bleiben. Aber das ist eine andere Geschichte. Erzählt hab ich sie bereits.

1976. Acht Jahre verbrachte ich im Asphaltdschungel von Meidling. Dann zogen meine Eltern mit mir und meiner älteren Schwester an die Donau, nicht unweit der Floridsdorfer Brücke und dem sogenannten Überschwemmungsgebiet. Ich saß mit Mutter in der Küche als wir an diesem Sonntag Morgen im Radio hörten, dass die Reichsbrücke eingestürzt sei. Wir machten uns natürlich auf, zur Eisenbahnbrücke, und versuchten uns von dort einen Eindruck des Einsturzes zu verschaffen. Aber meine Kurzsichtigkeit wurde noch nicht durch eine Brille entschärft, weshalb ich keine spannenden Bilder damals wie heute vor Augen habe. Am selben Tag verunglückte dann auch noch Niki Lauda am Nürburgring. Meine Kindheit ging mit diesen Katastrophenmeldungen zu Ende.

1978 Ich war gerade einmal 10 Jahre jung, als ich im Kino KRIEG DER STERNE sah und überwältigt war. Natürlich wollte ich eine Han Solo Action Figur. Aber das Spielwarengeschäft ums Eck hatte nur Prinzessin Leia und Chewbacca. Ich entschied mich für das zottelige Monster, weil es eine große Wumme dabei hatte. George Lucas und Steven Spielberg sollten von nun einen entscheidenden Einfluss auf uns Kinder haben. Die Zukunft sah spektakulär bunt aus. Und mit der Einführung des VHS-Systems liebäugelte ich, Regisseur zu werden.

1979. Ich erinnere mich noch, welch Hype der Film seinerzeit auslöste. Wir Kinder mussten demnach ins Gartenbaukino – dem damals größten Lichtspielhaus Wiens. Aber welch bodenlose Enttäuschung! Das Ende, als Superman einfach die Erdkugel und damit die Zeit zurückdrehte und auf diese Weise seine große Liebe vor dem Tod bewahrte, kam mir nicht nur lächerlich vor, sondern auch cheatig (damals kannte ich den Begriff natürlich noch nicht!), kurz, ich fühlte mich hintergangen. Ja, auch Kinder haben ein Gefühl für stimmige Handlungsverläufe.

1980. Zu Weihnacht wurde ich mit der damals sensationellen Videospielkonsole ATARI 2600 VCS beschenkt, samt vier Spielen. Mit gerade einmal 12 1/2 Jahren erfolgte mein Einstieg in die digital-binäre Welt, die mich fortan nicht mehr loslassen und eine Tür in ein neues Universum öffnen sollte. Unvorstellbar für heutige Zeiten, welch Kreativität in gerade einmal 4 KByte stecken konnten. Eine smarte Türglocke hat heutzutage mehr ROM. Die Zukunft sah spektakulär bunt aus. Erneut.

1981. Warum ich damals zum Schreiben von Geschichten angefangen habe, ist mir nicht mehr ganz klar. Vielleicht war es einfach nur die Fadesse. In den Sommerurlauben mit meiner Familie war mir nämlich stinklangweilig. Deshalb flüchtete ich mich in meine Phantasiewelten, die ich niederschrieb, zumeist abgeschaut von anderen Büchern oder TV-Filmen. Meine Rechtschreibung war miserabel, aber an Ideen mangelte es mir nicht. Zumeist verlor ich aber bald das Interesse an einer begonnenen Geschichte, der lange Atem fehlte mir.

Ein Leben in Bildern: Jugend 1982 – 1989

Richard Karl Breuer präsentiert seinen Werdegang

1983. Die Entwicklung in der Computerwelt ging rasant voran – auch wenn es für heutige Generationen eine gefühlte halbe Ewigkeit dauerte, bis Innovationen vorgestellt wurden. Ein Homecomputer lag damals unterm Weihnachtsbaum. Ein Texas Instruments Ti 99/4A. Ich lernte die Programmiersprache BASIC und begann, kleinere Programme zu schreiben. Abspeichern konnte man die erfassten Programme nicht, dazu brauchte man ein Dataset, also einen Kassettenrekorder, der die in Töne umgewandelten binäre Daten auf Band aufnahm. Für heutige Ohren unvorstellbare Steinzeitmethoden. Damals akzeptierte man diese notgedrungenermaßen. Später stieg ich auf einen ATARI 130XE um. State of the Art. Der Erzrivale von Atari war Commodore mit seiner Brotdose C64. Die Möglichkeiten schienen ins Unendliche zu greifen. Natürlich ging es uns um Computerspiele. Natürlich unter der Hand zugespielt. Natürlich waren alle Tricks erlaubt. Die Begeisterung war exorbitant. Was würde da noch alles auf uns zukommen?

1983. Mit dem Eintritt in die Handelsakademie war die Anschaffung einer mechanischen Schreibmaschine notwenig. Die elektrische Version war seinerzeit nur für Büros vorbehalten, da de facto unerschwinglich. Das blinde Tippen auf der Schreibmaschine im 10-Finger-System wurde einem in der Schule ins Unbewusste gehämmert. Damals fluchte ich. Heute bin ich dankbar. Ohne dem schnellen Tippen hätte ich später meinen regen Gedankenfluss niemals aufs Papier bringen können. Ja, ich tippe wirklich schnell. Mit Stenographie konnte ich mich hingegen nicht anfreunden, ich stand in der Schule damit auf Kriegsfuß. Ehrlich gesagt, ich hasste es und habe noch heute hie und da Alpträume. Das Foto der mechanischen Schreibmaschine wurde mittels KI generiert. Sieht hübsch aus, hat aber mit der Wirklichkeit nichts zu tun.

1985. Das Schreibmaschinschreiben öffnete im heranwachsenden Jungen schließlich eine kreativ-musische Tür. Ich legte den gespitzten Bleistift der Kindheit in die Lade zurück und tippte von nun an Geschichten und Briefe aufs Papier. So wie es echte Schriftsteller machten. Einziger Wermutstropfen war die Lautstärke des Tippens. Das Festhalten meiner Phantasie blieb in meinem Zuhause niemanden verborgen. Das war mir unangenehm, wollte ich mein Geschreibsel vorerst keinem kritischen Blick aussetzen. Aber ein Anfang war getan.

1989. Mit zwei Jahren verspätung und mit hängender Zunge absolvierte ich die Reifeprüfung vulgo Matura an der BHAK in Wien XXII. Die Sprachen machten mir seinerzeit zu schaffen. Englisch. Französisch. Wer hätte damals erahnen können, dass aus dem Maturanten ein Sachbuchautor werden würde, der sich vorrangig auf englischsprachigen Webseiten herumtreiben und sich Videos bzw. Podcasts mit Vorträgen englischsprachiger Experten anhören würde. Way to go. Mit dem Maturazeugnis war ich nun endgültig erwachsen geworden. Jetzt hieß es, einen Beruf zu ergreifen. Große Lust hatte ich keine. Im Gegensatz zur heutigen Generation akzeptierte ich mein Los, biss die Zähne zusammen und tat, was von mir verlangt wurde. In Tagträumen tagträumte ich von einer Zukunft als Schriftsteller, im festen Glauben, es würde mich vom trostlosen Brotberuf-Einerlei befreien.

Ein Leben in Bildern: Broterwerb 1989 – 2003

Richard Karl Breuer präsentiert seinen Werdegang

1989. Nach einem kurzen Auftritt als Bürofachkraft in einer Kabelfirma („Ich zeige Ihnen, wie Sie Kaffee machen“) wurde ich nach einem perfekten Einstellungstest in der Creditanstalt-Bankverein – seinerzeit eine der größten Banken Österreichs – in die Außenrevision aufgenommen. Dies bedingte, dass ich für ein Jahr in einer Zweigstelle alle Bereiche kennenlernen musste – immerhin sollte ich sie späterhin überprüfen können. Leider gab es in der Filiale persönliche Querelen. Ich beschwerte mich. Und wurde deshalb kurzerhand in die Wertpapierabwicklung versetzt. Weil dort Not am Manne und an der Frau war. Anfang 1990 explodierte das sonst so beschauliche Börsenwesen in Österreich – internationale Konzerne kauften auf Teufel komm raus Anteile an österreichischen Parade-Unternehmen. Der ausgelöste Börsen-Run erinnerte an den Goldrausch im Wilden Westen. Exorbitante Summen konnten in kurzer Zeit verdient werden. Vorausgesetzt du hattest das nötige Kleingeld und wenig Skrupel. Insiderhandel war seinerzeit noch kein juristischer Begriff.

1990. Mit dem ersten sauer verdienten Gehalt wurde ein Commodore Amiga 500 angeschafft – ein letztes Aufbäumen der HomeComputer. Gemeinsam mit der Atari ST Serie konnte man mit diesen nicht nur spielen, sondern auch Arbeiten erledigen. Ein paar Jahre später entschied ich mich dann doch für einen PerconalComputer vulgo PC. Der Prozessor war ein 386er. Floppy-Laufwerk. Cherry-Tastatur. Farb-Monitor. Später kam noch ein Matrix-Nadeldrucker dazu. Die Erinnerung ist nur noch schwammig. Aber die Kosten im Vergleich zu heute waren kriminell hoch und doch waren wir bereit, viele Geldscheine hinzublättern. Mit dem PC kam auch ein Textverarbeitungsprogramm. Die Schreibmaschine konnte endgültig in den Kasten gestellt und die Texte leise (!) aufs virtuelle Papier getippt werden. Mit einem Male gab es Möglichkeiten, Korrekturen vorzunehmen, Zeilen zu kopieren oder zu verschieben und – vor allem – Sicherungskopien anzulegen. Damals war das eine einzigartige Sensation. Erst mit dieser Textverarbeitung wurde ein erster ernsthafter Schritt in die musische Richtung gesetzt. Die Inspiration fehlte, auch wenn ich hie und da Kurzgeschichten in den PC tippte – die später wiederum Eingang in meine Literatur finden sollten. Tom Thomsen aus Rotkäppchen 2069 ist tatsächlich eine Figur, die seinerzeit entstanden ist. Oder die Zeitlupen-Action, die ich in Madeleine und Penly einsetzte, wurde damals ausgedacht und festgehalten.

1991. Ich wagte den Sprung von einer der größten österreichischen Banken in die klein(st)e Filiale der amerikanischen Privatbank Chase Manhatten. Der Standort war Wien, das Büro im Bürotrakt des Hotels Mariott an der Ringstraße. Ich war Teil eines dreiköpfigen Back-Office-Teams und musste praktisch alle Handgriffe erlernen und selbstständig umsetzen. Kurz nach meinem Eintritt verabschiedete sich der junge Teamleiter und von da an ging es drunter und drüber. Später übernahm ich die Teamleitung. Eine Karriere interessierte mich in all meinen Brotberufen praktisch nie sonderlich, ich wollte einfach nur einen guten Job machen. Ich wurde so erzogen. So war es damals. So ist es heute. Wenn du etwas tust, dann ordentlich oder gar nicht. Der damalige Chef der Filiale hieß übrigens Andreas Treichl. Und habe ich erzählt, als ich dafür verantwortlich war, 2 Milliarden fällig gestellte Peseten innerhalb Spaniens zu transferieren? Durch die damals festgesetzten Strafzinsen hätte ein Fehler die Filiale in den Bankrott führen können. ¡Que sí!

1994. Von der Filiale der Chase Manhattan Bank, die kurz vor meinem Wechsel von der Credit Lyonnais gekauft wurde, heuerte ich in der CA-IB an. Dort war ich am Vormittag zuständig für die tägliche Gelddisposition und am Nachmittag für den Kontenabgleich. Es war eine angenehme Tätigkeit, konnte ich meinen detektivischen Spürsinn einsetzen. Über die Jahre gab es zahlreiche nicht zuordenbare Beträge aus Dividenden- oder Anleihenzahlungen. Auch war ich zuständig für die Abwicklung von Börsengängen und Emissionen. Spannend. Stressig. Hie und da auch extrem fordernd. Das Telefon klingelte pausenlos, während ich Abrechnungen erstellen musste. Gottlob gab es auch ruhigere Zeiten. Aber der Stress war damals Teil des Jobs. Take it or leave it. Habe ich erzählt, dass ich am Tag des Börsengangs von VA Tech über eine Milliarde Schillinge zu disponieren hatte. Zugegeben, da flatterten die Nerven. Dafür gab es eine nette Armbanduhr. Ja, damals wurde am Finanz- und Kapitalmarkt so viel Geld lukriert, dass Unternehmen mit Geschenken an (zukünftigen) Aktionären nur so um sich warfen. Good ol‘ times.

1998. Als ich im Jänner 1998 in das Software-Unternehmen SDS eintrat, kam ich vom Regen in den Sonnenschein. Während ich in der CA-IB unter ständigem Strom stand, gab es im neuen Job in den ersten Monaten praktisch nichts zu tun, außer die Software-Konzepte zu lesen, zu begreifen und zu verinnerlichen. Als ich mit Kollegen und Kolleginnen in der Cafeteria weilte, schaute niemand auf die Uhr, während ich mit jeder Minute nervöser wurde. Das war der Unterschied zwischen Bank und IT: da die strengen Vorgaben, dort die Kreativität, die viele Freiheiten gewährte. Ich hatte mich vorerst mit einem kleinen Beistelltisch zufriedenzugeben, wo sich die Ordner und Unterlagen stapelten. Telefon? Fehlanzeige. Am Nachmittag überfiel mich oft eine bleierne Müdigkeit. Erst als ich meinen Schreitisch mit Telefon bekam und selber Konzepte erstellen und mit den Programmierern abstimmen konnte, erwachte ich aus dem Trott. Als einer der wenigen Fachkonzeptionisten hatte ich analytisches Verständnis im Rucksack. Homecomputer und BASIC sei Dank. Es war eine herausfordernde und durchaus befriedigende Arbeit, konnte ich jede von mir konzipierte Änderung am Bildschirm prüfen. Zuständig war ich für Wertpapier-Ereignisse. Dividendenausschüttungen oder Zinszahlungen mögen ja noch einfach sein, aber bei komplexen Kapitalmaßnahmen trennt sich die Spreu vom Weizen. Habe ich erzählt, dass ich für das Konzept der EURO-Umstellung verantwortlich war? Alles lief wie am Schnürchen. Später übernahm ich das Team. Wurde gut bezahlt. Hatte angenehme Kollegen und Kolleginnen. Konnte zufrieden sein. Aber suchte ich nicht insgeheim nach der verlorenen Geschichte? Am Wochenende, wenn ich im Kaffeehaus (Nichtraucherbereich!) saß und ins Tagebuch kritzelte, träumte ich von einer musischen Freiheit …

1999. Mit dem Einzug in einen neu errichteten Wohnblock an der Donau, kam auch Breitband ins Haus und an meinen Schreibtisch. Das WorldWideWeb war noch recht dünnhäutig und niemand, der wusste, wohin die Reise gehen würde. Es entstanden StartUps und die meisten verschwanden alsbald wieder. Man ahnte die Möglichkeiten, aber im Web echtes und gutes Geld zu verdienen, da gab es vorerst einfach zu viele Fragezeichen. Solange das Internet frei vom Kommerz war, solange war es eine Sandgrube, in der alles erlaubt war und jeder die gleichen Rechte hatte. Der Wilde Westen, der in den 1970ern im Silicon Valley ausgerufen wurde, erreichte nun auch Wien und eine kleine Wohnung.

1999. Mit dem Breitband erhielt ich auch Webspace. Also begann ich, an einer Webpage zu basteln. Meine kurzen Texte genauso wie meine Gedichte wollte ich der Öffentlichkeit präsentieren. Es kostete ja keinen Cent. Vorausgesetzt, man hatte einen HTML-Editor, dann stand einem das Internet sehr weit offen. Natürlich wollte ich eine ansprechende und ästhetische Webseite machen. Ich nannte sie: das verlorene herzeine private HomePage. Die Illustrationen stammten von der Mutter einer guten Freundin. Damals gab es noch recht wenig Inhalt (heute heißt es content) und trotzdem bemühte ich mich, sie ansprechend zu gestalten. Der Ästhetik-Fetischist mit perfektionistischen Allüren, der in mir schlummert(e), ließ nichts anderes zu. Ohne Suchmaschine – google? – fand natürlich kein Mensch deine Seite. Die Besucher reduzierten sich demnach auf Freunde, Familie und Arbeitskollegen.

2000. Eines Tages kam mir die Idee, Notizen zu machen. Ich hatte deshalb immer ein kleines Notizbüchlein dabei. Aus den Notizen und Gedankengängen wurden Tagebucheinträge. Die Besonderheit war, dass ich diese Einträge für gewöhnlich im Kaffeehaus mach(t)e. Ich schaffte mir eine schmucke Füllfeder von Waterman an, kaufte mir von Hand gefertigte Notizbücher, die königsblaue Tinte von Pelikan und war selig, wenn ich schreiben durfte. Die verrauchten Kaffeehäuser machten mich freilich sehr unwohl, weshalb ich mich in die kleinen, dunklen Nichtraucherecken zurückzog. Man fühlte sich als Gast zweiter Klasse. Es mussten noch viele, viele Jahre vergehen (November 2019), bis mir der Nikotingestank nicht mehr in Haut und Haare fahren sollte. Später tauschte ich meine Waterman mit einer teuren Mont Blanc Füllfeder aus, mit der ich noch heute in meine Tagebücher schreibe. Die dicken handgefertigten Notizbücher machten Platz für schmale Fabriano Skizzenhefte im A5-Format. Die Umschläge gibt es in vielen Farben. Hübsch. Über die Jahre haben sich viele Tagebücher angesammelt. Hie und da blättere ich zurück. Ich weiß noch, dass ich damals, an den Wochenenden, am Ende des Geschreibsel die Frage seufzend hinwarf: „Wann werde ich die verlorene Geschichte finden?“

2002. Dann war es soweit. An einem Märztag. Ich saß auf einer Bank, irgendwo in der Nähe des Jörgerbades und vertrieb mir die Zeit bis zum Termin mit einer Ernährungsberaterin, die mir von einer guten Freundin empfohlen wurde und hatte plötzlich eine Idee. Ausgelöst wurde dieser Gedankenblitz von einer jungen Frau, deren Lachen mich so sehr in den Bann zog, dass ich sie unbedingt mit einer Geschichte beeindrucken und damit gewinnen wollte. Eines ihrer Lieblingsbücher war Seide von Alessandro Baricco. Dieser einzigartige Stil des Textes nahm mich sofort ein und ich sagte mir: „Okay, das kann ich auch!“ Aus einer gedachten Fingerübung wurde schließlich große Literatur, an der ich über 20 Jahre – mal mehr, mal weniger – arbeiten sollte. Damals wusste ich von alledem natürlich nichts. Ich kam begeistert nach Hause, setzte mich zum Schreibtisch und tippte die ersten Zeilen eines Textes, der wenig später den Titel Azadeh bekommen sollte. Die Türe in ein mir unbekanntes Universum öffnete sich wie von Zauberhand.

2003. Einst sagte ich mir: „Wenn du die Inspiration für ein Buch bekommst, dann kündigst du auf der Stelle und schreibst es!“ Aber als es soweit war, zögerte ich. Mit bald 33 Jahren, einem sehr gut bezahlten Job, der mir viele Freiheiten gewährte, war es mir sehr bewusst, dass jede Entscheidung auch Risiken und Nebenwirkungen haben würde. So entschied ich mich für die österreichische Lösung und reduzierte meine Stundenzahl in der Firma. Das hatte zur Folge, dass es noch mehr Stress gab, wollte ich weiterhin einen guten Job machen. Als Teamleiter gab es kein Mittelmaß, was wiederum zur Folge hatte, dass ich mit dem Schreiben von Azadeh nicht vorankam. Andererseits wollte ich meine damaligen Gefühlskrisen im Text verarbeiten, ging es im Buch genau um dieses Ringen zwischen Kopf und Herz, zwischen Pflicht und Wunsch. Dann, Anfang 2003, besuchte ich jene Frau, der ich diese Inspiration zu verdanken hatte, klagte ihr mein Leid und fragte sie, was ich nur tun solle. Statt einer diplomatisch neutralen Antwort, blickte sie mir in die Augen, zuckte mit der Schulter und sagte: „Scheiß drauf, mach’s!“

Ein Leben in Bildern: Kreativität 2003 – heute

Richard Karl Breuer präsentiert seinen Werdegang

2003. Mit meiner neu gewonnenen Freiheit, ich entschied mich für die Selbstständigkeit, verbrachte ich im Juni zwei Wochen in einem Haus in Salzburg. Die Eltern einer guten Freundin überantworteten mir ihr Zuhause, während sie auf Urlaub fuhren. Dieses Alleinsein löste eine immense schöpferische Kraft aus, die mich zu einer weiteren Inspiration führte. Der Grundstein für die absurde Science-Fiction-Komödie Rotkäppchen 2069 war gelegt. Ich durfte zum ersten Mal aus dem Vollen schöpfen, es gab keine Hindernisse, keine Hemmnisse, weshalb die Ideen lawinenartig auf mich zudonnerten. Mit Papier und Feder war dieser Flutwelle nicht beizukommen. Kurzerhand kaufte ich mir in der Stadt einen Laptop. Ich entschied mich für einen HP, weil er blaue LED-Lichter hatte. Ich war nun Schriftsteller, sagte ich mir, also braucht es dafür auch die nötige Ausstattung. Es war eine Investition in die Zukunft.

2004/05. Ich habe es versucht. Habe das Manuskript zu Azadeh an die üblichen Großverlage verschickt und Absagen gesammelt. Da wurde es mir zu bunt. Ich suchte Alternativen. Fand ein zweisemestriges Seminar über das Verlegen von Büchern. Geleitet wurde dieser Ausflug in die Buchbranche von einem der letzten Wiener Verleger-Originale: Professor Leo Mazakarini. Er kannte Gott und die Welt. Hatte immer eine amüsante Anekdote in der Tasche. Und zeigte mir und den anderen, dass es keine Hexerei ist, ein Taschenbuch im Digitaldruck herzustellen. Ich war verblüfft. So einfach ging das? Der Entschluss stand sogleich fest: Ich wollte mein Buch – gar meine Bücher? – auf eigene Kosten drucken lassen.

2005. Das WorldWideWeb veränderte sich. Es wurde interaktiv. Nun konnte der Nutzer nicht nur passiv auf Webseiten surfen, sondern auch Inhalte erstellen. Die Ära der Blogs entstand. Ich eröffnete auf blog.de meinen Blog und schrieb darauf los. Erst die Interaktion mit der Community löste einen besonderen Reiz auf mich aus. Gut möglich, dass ich sonst enttäuscht das Handtuch geworfen hätte. Zwei Jahre später zog ich auf wordpress.com um und blieb bis heute dort. Das Konvolut an Texten ist beeindruckend lebendig. Es zeigt auf Hunderten von Beiträgen das Leben eines kreativen Menschen, der sich als Bürger, Autor und Verleger entwickelt(e). Ja, und dann machte ich ernst mit meiner Webseite. Die Geschichte, wie ich zur Domain 1668.cc kam habe ich bereits erzählt. Ich wollte aus dem provinziellen Umfeld ausbrechen, mich und meine Webseite in einem besonderen Licht präsentieren. Dank eines HTML-Editors von Namo konnte ich meinen Ästhetik-Fetischismus ausleben. Nicht anders als heute verursachen mir falsch gesetzte Abstände schlaflose Nächte.

2006. Die Entscheidung, die eigenen Bücher im Digitaldruck produzieren zu lassen, hatte freilich einen Haken: Wie kommt der Text in ein ansprechendes Layout, das die Profis Satz nennen? Kurzerhand machte ich auch hier keine halben Sachen und kaufte mir die Profi-Software von Adobe. Die Creative Suite 2 hatte alles an Bord, was ein Grafiker und Verleger brauchte: InDesign und Photoshop. Noch heute arbeite ich liebend gerne mit InDesign CS2. Sicherlich eines der besten und stabilsten Softwareprogramme, die mir je unter die Finger gekommen ist. Ein kleines Wunder. Adobe versuchte seinerzeit die Platzhirschen in Satzgestaltung und Bildbearbeitung vom Thron zu stoßen und gab sich jung und modern. Heute gehört Adobe leider zu den Bösen, die mit teuren Abo-Modellen Klein(st)verleger das letzte Hemd ausziehen wollen. Also besorgte ich mir die kostengünstige Affinity-Suite. Aber das Umlernen ist mühsam.

2006. Im Juni, eine Woche vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland, präsentierte ich mein erstes Taschenbuch Rotkäppchen 2069 der Öffentlichkeit. Ich war nun Autor und Verleger, organisierte einen Party-Raum, sorgte für Getränke und gute Stimmung. Es gab eine kurze szenische Lesung und danach Disco. Der Verkauf war gar nicht schlecht, aber ich sollte erfahren, dass der Verleger niemals zufrieden ist, will er alle, wirklich alle Exemplare an den Mann und an die Frau bringen. Die Leserschaft war von der Science-Fiction-Komödie mit sexuellen Anspielungen überfordert: Was wollte uns der Autor nur sagen?

Von nun an wurden Bücher geschrieben und viele Texte verfasst. Eine Ende ist derzeit nicht absehbar.

2006. So sah es aus, das erste Taschenbuch als Privatausgabe – ich hatte mir noch keine ISBN für meinen Verlag besorgt. Das sollte später erfolgen. Gedruckt wurde das Buch in Wien. Die Druckerei gibt es längst nicht mehr.

2008. Am 29. Februar 2008 präsentierte ich im MuseumsQuartier das Taschenbuch Die Liebesnacht des Dichters Tiret. Diesmal mit einer ISBN. Ich war nun offiziell ein ernsthafter Verleger. Mit allen Vor- und allen Nachteilen. Auch dieses Buch wurde in Wien gedruckt. Eine Neuauflage ist in Planung.

2008. Im Sommer folgte die neue Auflage von Rotkäppchen 2069, diesmal mit ISBN und vielen farbigen Illustrationen des Dresdner Cartoonisten Gunther Eckert. Seine Charakter-Kreationen sind perfekt. Das Cover zeigt übrigens die neue Auflage. Man beachte das „B“ im Titel.

2009. Es begann recht unaufgeregt. Man stellte mir SP. vor. Sie arbeitet eine Weile in Hollywood und hatte Blut geleckt. Sie wollte in Österreich ein TV-Serien-Projekt produzieren. Es fehlten ihr zwei Dinge dazu: ein Script und das Geld. Ich besorgte ihr das Script. Das Geld ließ sich aber nicht auftreiben, trotz ihrer zahlreichen Kontakte, die uns bis zum Chef der Satel-Film bringen sollten. Meine gemachten Erfahrungen in der Wiener Filmbranche sind demnach keine guten. Die Entscheidungsträger scheinen mir eine eingeschworene Clique zu sein, die sich dank Filmförderungen keine Sorgen ob eines Flops machen müssen. Somit hat auch das beste Script in Österreich keinen hohen Stellenwert. Schon gar nicht, wenn es von einem Quereinsteiger geschrieben wurde.

2009. Eine gute Freundin stellte mir TB. vor. Er wollte ein Hochglanz-Magazin für Brett- und Gesellschaftsspiele produzieren, aber ihm fehlte ein kostengünstiger Grafiker, der bereit war, mit ihm ins kalte Wasser zu springen. Ich akzeptierte die Herausforderung und musste oft Blut und Wasser schwitzen. Mit meinem in die Jahre gekommenen PC war die Layoutierung eines Heftes mit 52 Seiten und vielen Fotos eine zeitintensive und instabile Prozedur. Aber am Ende lief alles gut. Bis heute produzieren wir gemeinsam das Magazin, wenngleich sich die Ausstattung im Print verändert hat, eine erweiterte digitale Ausgabe sowie eine Webseite hinzugekommen sind. Damit begann auch mein Interesse an Brett- und Kartenspielen.

2009. Die erste Ausgabe von Schwarzkopf (White Edition) verkaufte sich so gut, dass ich nun daran gehen konnte, eine größere Auflage drucken zu lassen. Der weiße Umschlag änderte sich in einen schwarzen. Und weil die Druckerei in Wien die Pforten schloss, wechselte ich nach k.u.k.-Manier nach Budapest, wo ich seit jeher meine Taschenbücher drucken lasse und sehr zufrieden bin.

2010. Die Digitalisierung hielt auch in der Buchbranche Einzug. Aber den Anfang machten die kleinen Verleger, die nichts zu verlieren hatten, aber sehr viel gewinnen konnten. Ich zählte überhaupt zu den ersten Autoren, deren E-Books über amazon.com (!) erhältlich waren. Erst später zog amazon.de nach. Die große Angst in der Branche vor Raubkopien ließ mich kalt – ich verzichtete auf DRM-Schutz. Bald wurde es am Markt unübersichtlich. Man musste mit den Shops, die deine E-Books verkauften, einen Vertrag abschließen. Mühsames Unterfangen. Deshalb war ich froh, als bookwire ihre gemachten Erfahrungen in der Musikbranche auch in der Buchbranche umsetzen wollten. Der damalige Unternehmensgründer rief mich seinerzeit an, um sich von mir Ratschläge zu holen, hatte er keine Ahnung von E-Books und den Problemen. Ich gehörte zu einem der ersten Verlage, die bookwire das Vertrauen aussprach. Gedankt wurde es mir freilich nicht. Man setzte mich Jahre später vor die Tür. Daran kann man gut erkennen, dass heutzutage Loyalität im Wirtschaftsleben ein Fremdwort geworden ist. Das amerikanische Modell – hire and fire – hielt Einzug in Europa. Sad. Very sad indeed.

2010. Mit der Veröffentlichung von Brouillé auf der Leipziger Buchmesse wurde ich als Autor erwachsen. Es war ein großer Wurf. Ich zeigte, dass ich nicht nur absurde Komödien oder leichtgängige Kost aufs Papier schmieren konnte. Das Kriminalstück mit Hercule-Poirot-Einlagen hatte freilich einen holprigen Start. Als ich die erste Version einer guten Freundin zum Lesen gab, war ihr Feedback so vernichtend, dass ich beschloss, alles wegzuwerfen und von Neuem zu beginnen. Gottseidank tat ich es. So gesehen wurde Brouillé zweimal geschrieben. Einmal für den Papierkorb, einmal für den Leser. Über die überraschenden Wendungen am Ende bin ich noch heute stolz.

2012. Für den dritten Band der historischen Reihe Madeleine wollte ich auf den Crowdfunding-Zug aufspringen. In diesen Jahren war es „the rage“, sich im Vorfeld Geld für ein anstehendes Projekt zu sichern. Ich wollte 99 Förderer gewinnen, die einmalig 25 Euromünzen in die Schattule des Autorenverlegers einwerfen sollten. Dafür würden sie auf der Webseite genauso wie im Buch genannt werden. Am Ende kamen gerade einmal 60 Förderer zustande, was aber allemal reichte, um das Buch in Druck gehen zu lassen. So gesehen war es ein Erfolg. Freilich, die Sache roch ein wenig nach unangenehmer Bettelei bzw. Bittstellerei. Auch ist der Hype des (improvisierten) Crowdfunding alsbald verflogen. Der Kommerz übernahm das Ruder. Wie üblich. Das Buch Madeleine hat mich nun endgültig zum ernsthaften Autor emporgehoben. Für das Lektorat konnte ich damals die noch junge FB. gewinnen, die ich in ihrem Metier anhimmelte. Viele Jahre später sollte sie auch Azadeh ihren Stempel aufdrücken.

2014. Meine Reise in den Kaninchenbau wurde mit 9/11 und dem Dokumentarfilm Loose Change (2005) angestoßen. Dieser Film war nur im Internet zu finden und wurde von jungen Leuten gemacht, die sich getrauten, Widersprüche und Ungereimtheiten dieses Events anzusprechen. Von da an gab es kein Halten mehr. Das Web und die alternativen Seiten, genauso wie Vorträge US-amerikanischer Skeptiker, stellten mein Weltbild auf den Kopf. Es war eine besondere Erfahrung, die mir immer in Erinnerung bleiben wird. Jeden Tag erfuhr ich mehr über jene andere Wahrheit, die der Mainstream ignoriert(e). Ich dachte daran, ein schmales Büchlein in der Art von None dare call it a conspiracy von Garry Allen zu schreiben. Aber wie so oft, wenn ich mich austobe, gibt es kein Halten. Schlussendlich wurde mein erstes Sachbuch ein Ziegelstein in einem Umfang von 612 Seiten und 1.115 Fußnoten und einem Gewicht von annähernd einem Kilogramm. Da ein Lektorat praktisch nicht möglich war, publizierte ich das Taschenbuch in einer Kleinstauflage als Arbeitsunterlage, ohne ISBN. Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis sollte dem geneigten Interessierten zeigen, welche Themen mir wichtig waren und sind.

2015. Die Idee zum Buch Der Fetisch des Erik van der Rohe gab es bereits während meines Salzburger Aufenthalts 2003. Es entstanden erste Entwürfe. Später holte ich das Manuskript immer wieder aus der Lade, staubte es ab und schrieb weiter bzw. setzte den Rotstift an. Ironischerweise entstand das erste Kapitel Lydia um diese Zeit – es handelt von einer E-Mail-Konversation und einem Blind-Date zwischen Mann und Frau – also Jahre vor Glattauers Gut gegen Nordwind. Auch die zugrundeliegende Thematik – Fetischismus/Dominanz/Beziehung – war seiner Zeit wohl Lichtjahre voraus – Stichwort: Fifty Shades of Grey.

2016. Der vierte und (vorläufig) letzte Band der historischen Reihe Penly wurde anfänglich als Print on Demand über bookwire abgewickelt. Aber nach dem Hinauswurf musste ich dann doch in Vorlage treten und eine Kleinauflage drucken lassen. Diesmal im Osten Europas. Ich erhielt ein Angebot, das ich nicht ausschlagen konnte. Das Ergebnis war okay. Das Buch selbst ist – neben Madeleine – der perfekte Kopffilm. Die Action ist blutig, wie es nun mal bei einem Western-Showdown sein muss. Ich orientierte mich da u.a. an The Wild Bunch von Sam Peckinpah. Auf die Zeitlupen-Action – mit Gegenschnitten – bin ich stolz. Entwickelt habe ich das Ganze in meinen jungen Jahren, noch auf der Schreibmaschine tippend. Ich hatte wohl das richtige Gespür.

2019. Obwohl die Schatzkiste nicht prall gefüllt war, entschied ich mich, mit meinem Schreiben endlich wieder mobiler zu werden. Der alte Laptop von Lenovo war dafür längst nicht mehr zu gebrauchen. Das Notebook von Huawei kostete nicht die Welt und überzeugte mich. Das Tippen machte nicht nur Spaß, es trieb mich zu neuen Geschwindigkeitsrekorden an. Den Laptop habe ich noch heute und er ist ein ständiger Begleiter auf meinen Reisen. Ohne diesen Laptop hätte es womöglich niemals das Manuskript zu Alice gegeben. So gesehen, eine äußerst fruchtbringende Investition. Und die letzten Überarbeitungen zu Azadeh entstanden darauf im Kaffeehaus oder im Zug Richtung Semmering.

2020/2022. Es war eine seltsame Zeit. Die Pandemie stellte die Welt auf den Kopf. Hand aufs Herz, ich war eigentlich guter Dinge. Zum ersten Mal gab es auch unter der Woche eine energetische Ruhe, die sonst nur an den Vormittagen von Sonn- und Feiertagen zu spüren ist. Da schreibt und sinniert es sich bestens. Angst um meine Gesundheit hatte ich nie – wer in den Kaninchenbau tief hinabsteigt, erfährt, dass Pasteur einen großen Humbug für Wissenschaft ausgab. Und weil diese pasteursche Entdeckung politisch und kommerziell ausgeschlachtet werden konnte, nun, hatte keiner Einwände. Bis heute nicht. So war meine einzige Befürchtung, dass die Gesellschaft ihre dunkle Seite zeigen und ausleben würde, weshalb ich oft und oft dagegen anschreiben musste, in meinem Blog, beispielsweise über die Verrücktheit, als sich jedermann und jedefrau eines Tests unterziehen musste, wollte er als (gesunder?) Mensch wahrgenommen werden. Ja, verrückte Zeiten. Und genau in dieser unseligen Phase entflammte ich 2021. Eine Inspiration hatte mich in Brand gesteckt. Die Idee ist simpel: Wie würde sich eine beginnende Liebesbeziehung in solch widrigen Zeiten abspielen? Ich entnahm die beiden Protagonisten meiner autobiographischen fiktion: Erik und Alice spielen die Höhen und Tiefen einer Anbahnung durch – ohne sich jemals treffen zu dürfen. Nach 14 Tagen endet der erste Teil. Die weiteren Teile sind im Kopf und im Notizbuch skizziert, sozusagen in der Rohfassung fertig.

2023/24. Der Zufall – wie so oft – führte mich ins Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Über ein Jahr sollte ich dort mein kreativ-analytisches Unwesen treiben. Eine wunderbare Erfahrung. Ich lernte dort die rätselhafte Peyer-Rolle kennen – liebend gerne würde ich sie abstauben und mittels Kooperationen der Öffentlichkeit zugänglich machen. Im Hinterkopf ist dieses Projekt vermerkt. Direktor Hoffmann stellte ich auch die Idee eines Erinnerungsarchivs vor: Dieses Archiv soll jede Schrift, jeden Text österreichischer Soldaten in einer Datenbank festhalten, um so erste Anlaufstelle für Forscher und interessierte Bürger zu sein.

In diesen 14 Monaten wurden viele Weichen gestellt und das Schicksal legte die Karten auf den Tisch. Hier nachzulesen in meinem langen Blogbeitrag.

2025. Nach 23 Jahren wird mein Erstlingswerk Azadeh das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Damals gab es eine Inspiration und viel Hoffnung. Ein Bogen wird damit geschlossen. Aber zuvor gilt es, die neue Webseite aus der Taufe zu heben. Meiner Seel, so viel content, der sich da in über 20 Jahren angesammelt hat. Ach, Azadeh war immer an meiner Seite. Gestern. Heute. Morgen.